SPD-Nachruf 0.9 beta

Es scheint, als hätten immer mehr Menschen Verständnis dafür, wenn andere nicht mehr angeschlagen, krank und alt dahinsiechen wollen und ihr Ableben daher durch die eigene Hand beschleunigen.

Diesen zwar nicht innovativen, aber trotzdem verständlichen Ansatz nutzt derzeit offenbar die SPD, um das lästige und anstrengende Bemühen um das Verständnis und die Zustimmung in der Bevölkerung endlich einstellen zu können. Die SPD-Repräsentanten wirken wie bockige Besserwisser, die sich trotzig von den Bürgern abwenden. Sie wirken fast alle lustlos, matt und uninspiriert.

Wenn Kurt Beck mitten in der schlimmen Parteikrise seine Energie mit dem „eigenhändigen“ Schreiben seiner Memoiren verbraucht, wenn in Zeiten massenweiser Parteiaustritte Mitglieder ausgeschlossen werden, weil sie mit Äußerungen vom Kurs abgewichen sind, wenn Hubertus Heil versucht, seine Parteigenossen bei einer großen öffentlichen Veranstaltungen zu einem lauten gemeinsamen „Yes we can“ anzupeitschen und keiner auch nur einen Laut rausdrückt – dann ist es Zeit, einen Nachruf zu schreiben und in der Schublade zu verstauen. Damit er da ist, wenn die Zeit kommt.

Man möchte trotzdem hingehen, der SPD die Hand auf die Schulter legen, ihr Mut und Freude zusprechen. Man möchte ihr den Tipp geben, nicht immer so verkrampft zu sein. Eine Verkrampfung, die in der trichterförmigen Gestalt von Beck Fleisch geworden und für jeden sichtbar ist. Man möchte da lieber nicht Blutdruck messen. Man möchte ihn endlich vom Bügel in seinem Sacko befreien. Ihm seinen Hemdkragen öffnen, damit wieder frisches sauerstoffhaltiges Blut ins Hirn fließen kann. Man möchte sagen, dass es doch schade drum wäre. Man möchte sich nostalgisch in Konjunktiven ergießen. Die SPD war schließlich eine große Volkspartei und hat eine ruhmreiche Tradition. Und Tradition ist schließlich das, was übrig bleibt, wenn sonst nichts mehr da ist.

Wenn nobody is able to yes we can anymore – dann soll es wohl nicht mehr sein.

Alle gegen alle

Er ist alt, er ist weise. Und er denkt auch an die jüngeren Menschen: Altbundespräsident Roman „The Ruck“ Herzog. Jetzt warnt er vor einer Ausplünderung der Jungen durch die Alten. Schließlich steigt die Zahl der Wähler im Rentenalter, also würden sich die Parteien ekelhaft opportunistisch den Alten anheischig machen.

Wie bei den mutmaßlich diskriminierten Frauen hört man an allen Ecken und Enden stereotypes Gejammer der Rentner. Schließlich hätten sie das alles aufgebaut, hätten schwere Zeiten gehabt. Und jetzt, im Alter, sollten sie nicht mehr so weiterleben können wie vorher.

Klar haben sie aufgebaut. Klar haben sie es schwer gehabt. Schwer haben es heute auch viele Jüngere. Aber die können nichts mehr aufbauen. Die können nicht ansatzweise die Wertzuwächse erreichen, die ihre Eltern erlangt haben. Ein jetzt berenteter Arzt konnte sich Auto, Haus, ordentliche Altersabsicherung und viele tolle Reisen, ein Segelboot erwirtschaften. Heute ist das nicht mehr drin.

Die Rentenversicherungsbeiträge der Jungen werden unmittelbar auf die Konten der Rentner überwiesen. Es gibt keine Rücklagen für die Zeit, in der die jetzt Jungen nicht mehr arbeiten können. Also müssen sie zusätzlich auch für sich sorgen. Was bleibt? In jedem Falle nicht genug, um durch Konsum die Wirtschaft anzukurbeln. Die meisten jungen Menschen, die heute bei uns reich werden, werden dies durch Erben.

Herzog mag Recht haben oder auch nicht. Fakt ist, die Gräben werden immer tiefer, die unsere Gesellschaft durchziehen. Alt gegen Jung, Frauen gegen Männer, Migranten gegen Einheimische, Gebildete gegen Hauptschulabsolventen. Also fast jeder gegen jeden. Wir sind ein Volk der Missgunst und der Unsolidarität. Innerlich sehnen wir uns aber nach einer Leitfigur, die uns wieder zusammenschweißt. Wie bei der WM der Klinsi – oder wie 70 Jahre vorher der…