Die Professionelle

Da sitze ich so im Gartencafe bei Rührei und alkoholfreiem Bier, als plötzlich eine Blondine vor mir steht. In ihrer Hand ein Glas mit einem kleinen Rest von Apfelschorle. Ob sie sich zu mir setzen dürfe, ihre Freunde seien gerade gegangen und sie habe keine Lust, die Schorle alleine auszutrinken. Warum eigentlich nicht? Sie setzt sich, ich stochere weiter in meinem Rührei rum.

Sie sei aus Hamburg, zu Besuch in Berlin, wolle hier Freunde treffen. Sie hätte da etwas Komisches mit mir vor. Eine Freundin behaupte, sie könne die Haarfarbe von Männern übers Handy an deren Stimme erkennen. Ob ich denn mit ihrer Freundin ein paar Worte reden würde. Na klar doch. Am anderen Ende eine fiepsige Stimme von „Katharina“, die behauptet, aus Schweden zu sein. Sie tippt auf braun oder schwarz – und liegt falsch.

Dani, wie sich mein Gegenüber mit dem kleinen Schluck Schorle vorgestellt hat, möchte wissen, was sie mit ihren Freunden heute Abend in Berlin machen könne. Ich frage sie, was ihr denn liegt. Keine Disko, eher etwas Gemütliches. Ich schlage eine Schiffsfahrt durch die vielen Kanäle Berlins vor.

Plötzlich hat es Dani eilig. Sie fragt nach meiner Nummer, ob ich die ihr geben würde. Kein Problem. Schon tauchen drei Menschen von hinten auf, einer bewaffnet mit einem Profi-Fotoapparat. Er hält auf mich drauf.

Die Blondine erklärt mir, das sei ein Versuch gewesen. Einer der drei sei ein Flirttrainer, der ein Buch geschrieben habe. Und sie teste die Rezepte jetzt aus – für die (na was wohl?) BILD der Frau. Stolz erklärt sie dem Trainer, dass ich ihr auch meine Nummer gegeben hätte.

Ich poche auf mein Recht am eigenen Bild, lehne eine Abdruck ab, sage meine Klarnamen nicht. Das findet Dani schade. Jetzt muss sie sich einen Neuen suchen. Den hat sie auch schon nach wenigen Minuten fünf Tische weiter. Ist auch nicht so schlimm. Schließlich wird sie ja fürs Flirten bezahlt. Dani ist eine ganz Professionelle.

Unser Gasthaus der Zukunft

Hersteller von Schokoriegeln wollen sich nicht mehr mit Werbung an Kinder richten, weil Kinder ja so gefährdet werden könnten, sich ungesund zu ernähren. Die Hersteller machen das, um einem Werbeverbot zuvorzukommen.

Handy-Strahlung soll doch zu Krebs führen können. Jetzt geht es darum, die Passiven vor der schädlichen Handystrahlung der aktiven Telefonierer zu schützen. Daher müssen angeschaltete Handys in öffentlichen Räumen, Gaststätten, in Autos und in der Nähe von Kindern verboten werden.

Jedes Jahr sterben mehr Menschen an den Folgen von Autoabgasen als Aktiv- und Passivraucher zusammen. Es müssen dringend Spaßfahrten verboten werden, also die Nutzung von Kraftfahrzeugen nicht zur Erwerbstätigkeit oder in Notfällen. Jeder Autofahrer muss seine Fahrten mit Alibis belegen können. Es müssen Bußgelder erhoben werden, wenn Autofahrer doch Spaßfahrten machen.

Eine Reihe von Parfüms enthalten Stoffe, die gesundheitsschädigend sind, insbesondere für die Leber. Da Parfüms ja gerade deswegen benutzt werden, damit andere sie einatmen (Passiv-Parfümierte), ist es an der Zeit, Menschen mit Parfüms den Zugang zu öffentlichen Gebäuden und Gaststätten zu verwehren. Auch die Mitarbeiter in den Einrichtungen und Gaststätten müssen vor dieser Gesundheitsgefährdung geschützt werden.

Jedes Jahr sterben hunderte Menschen an den Folgen von Lärm. Es ist unzumutbar und gesundheitlich gefährdend, wenn in öffentlichen Räumen oder Gaststätten ungedämpft und lauthals gelacht wird. Um Lärmschutz vor Leuten zu erzielen, die womöglich unwillkürlich und suchtmäßig lachen, müssen insbesondere in Gaststätten separate Räume eingerichtet werden. In öffentlichen Gebäuden wird ja nicht so viel gelacht.

Ach so, vor dem Rauchen müssen die anderen auch geschützt werden. Das soll hier natürlich nicht unterschlagen werden.

Stellen wir uns ein Gasthaus der Zukunft vor: Luft- und lustdicht abgetrennte Räume für Minderjährige (wg. Alkohol), für Parfümierte, für Raucher, für Mobiltelefonierer – und zum Lachen gehen wir alle in den Keller!

Was ist eigentlich los mit uns? Was ist aus der viel beschworenen freiheitlichen Gesellschaft geworden. Woher plötzlich diese Reglementierungswut, die permanent Keile in unsere Gesellschaft treibt? In den letzten Jahrzehnten sind die Menschen immer älter geworden – trotz Schokoriegeln, trotz Mobilfunk, trotz Autoabgasen, trotz schädlicher Parfüms, trotz Lärms und trotz der Existenz von Rauchern.