Die Birne von der Bernauer Straße

Die Birne vom U-Bahnhof Bernauer Straße
Die Birne vom U-Bahnhof Bernauer Straße

Die Birne hing schon da, bevor ihre Produktion unlängst von der EU verboten wurde. Wie eine Mahnung. Stiller leuchtender Protest. Keiner weiß warum. Ist halt Kunst. Und sieht sogar gut aus. Heimelig und warm. Tschüs liebe Birne. Dein Zug ist abgefahren.

Deutsche Lichtgestalten

Wie umweltbewusst sind die Deutschen? Immer wieder forscht das Bundesumweltministerium nach dieser Frage. Ob nun in der Woche, in der nachts alle Lichter abgeschaltet werden, um ein Zeichen gegen den CO2-Ausstoß zu setzen, oder in der Woche, in der Tag und Nacht alle Bauwerke mit starken bunten Strahlern angeleuchtet werden unter dem Motto „Festival of Lights – Berlin leuchtet„.

„Der Erhalt natürlicher Lebensräume ist aus Sicht von über 90% der Befragten nicht nur für die Natur, sondern auch für den Menschen lebenswichtig“, heißt es in der gerade veröffentlichten Studie „Umweltbewusstsein in Deutschland 2008“. Wer hätte das gedacht? Umwelt ist klasse und wichtig, sagen viele Bürger, wenn das Bundesumweltministerium sie fragt. Und ja, Merkels Vostoß, innerhalb der nächsten 500 Jahre den CO2-Ausstoß zu halbieren, finden die meisten sicher auch riesig. Gutmenschliches Nicken hier und dort. Mit beruhigtem Gewissen wird die Energiesparlampe angeschaltet und entfaltet nur ganz zaghaft und gemächlich ihre schädliche Helligkeit.

Diese Lampen sondern nicht nur Hautkrebs verursachendes und Stress erzeugendes Licht und Elektrosmog ab, sie halten auch viel kürzer und verbrauchen mehr Strom, als von den Herstellern versprochen wird. Diese Lampen müssen unter massivem CO2-Ausstoß mit dem Auto in weit entfernte Recyclinghöfe gefahren werden, weil sie zu giftig sind, um mit dem Hausmüll entsorgt zu werden. In Unmengen von Wald vernichtenden ganzenseitigen Anzeigen in Illustrierten und Tageszeitungen wird darauf hingewiesen.

Auch soll man diese Lampen nicht immer an und ausschalten, wenn man kurz ins Bad will. Das verbraucht dann viel mehr Strom, als sie an zu lassen. Anders bei der verbotenen Glühbirne. Die verbraucht gleichmäßig Strom ist sofort hell. Wer also bei Gutmenschen zu Besuch ist und auf die Toilette muss, sollte vorher abfragen, welche Lampenart dort installiert ist. Sind es Energiesparlampen, bleibt das Licht nach dem kurzen Toilettengang an, sind es böse Glühbirnen, muss natürlich so schnell wie möglich wieder der Lichtschalter betätigt werden. Früher sind Ehen daran zugrunde gegangen, wie Zahnpastatuben ausgedrückt wurden, künftig wird es das Lichtschalterbedienverhalten sein, das für Zerrüttung sorgen wird.

Trotzdem gibt nur 1 Prozent der Befragten in der Studie des Ministeriums an, für sie komme ein Ersatz von Glühlampen durch Energiesparlampen nicht in Frage. Zum Vergleich: Für 12 Prozent kommt eine Kraftstoff sparende Fahrweise mit dem Auto nicht in Frage. Und für sogar 31 Prozent kommt der Bezug von Ökostrom nicht in Frage. Konsequenterweise schreibt Sigmar Gabriel in der Einleitung zur Studie kurz vor dem Wahljahr 2009: „Die vorliegende Studie zeigt uns: Das Umweltbewusstsein der Deutschen bleibt auf seinem hohen Niveau.“ Fragt sich nur, im Vergleich zu was.

Tuet Bußgeld!

Bis zu 1000 Euro Bußgeld für Raucher„, vermeldet die Berliner Zeitung heute als Aufmacher. Hinten im Blatt heißt es dann: „U-Bahn-Fahren schädlich wie Rauchen?„. Wegen Feinstaub. Ein paar Seiten vorher plädiert ein Autor für das City-Fahrverbot in Berlin für ältere Autos. Wegen Feinstaub. Schließlich heißt es in der selben Ausgabe:

„Die Menschheit hat nach einem Bericht der UN noch knapp 15 Jahre Zeit, den unabwendbaren Klimawandel abzumildern und eine Katastrophe zu verhindern.“

Nicht wegen Feinstaub, sondern hier jetzt wegen Treibhausgasen, aber bestimmt auch ein wenig wegen Feinstaub.

Das Ende ist nah. Und wer U-Bahn fährt, ist ähnlich kriminell wie ein Raucher. Wer also in die Berliner Innenstadt will, kann das mit gutem Gewissen auch nicht mehr mit der U-Bahn, nachdem er sein Auto ohnehin nicht dafür nutzen darf. Sonst müsste er nämlich so viel Bußgeld zahlen wie ein U-Bahn-Fahrgast, nein, natürlich wie ein Raucher. Da ist es nur konsequent, wenn U-Bahn-Strecken in Zeiten von Auto-Fahrverboten stillgelegt werden. Denn am wenigsten schaden die, die zuhause in eine Decke eingewickelt im Dunkeln sitzen und nichts sagen (Kohlendioxyd-Ausstoß!). Hoffentlich gibt es keine Anzeige vom Nachbarn, weil gelegentlich in der Wohnung eine Glühbirne brennt (Verbot von Glühbirnen folgt in Kürze!)

Böse Glühbirne

Über Jahrzehnte bauten wir uns eine Welt voller Mobilität und Konsumfreude. Schluss damit! Das ist alles böse, das gehört alles bestraft. Der Bürger, der die U-Bahn statt dem Auto nimmt, genau so wie alle, die sich von Werbung für Zigaretten oder dicken Autos ansprechen lassen. Gehört alles verboten! Wer sich den Verboten nicht fügt, gehört weggesperrt! Und wer immer noch nicht pariert, der bekommt Sicherungsverwahrung. Schließlich vergeht er sich ja an nachfolgenden Generationen.

U-Bahn-Fahren ohne lebenswichtigen Grund – nein, das darf nicht sein. Schluss mit der Mobilität, Schluss mit der Ankurbelung der Binnenkonjunktur durch Konsum! Haltet lieber das Geld zusammen, ihr werdet es für die Bußgelder brauchen.