Ballerballa

Da die Synapsen nicht zuletzt auch im Untertitel von folo eine wesentliche Rolle spielen, dürfen hier die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über Ballerspiele als Jungbrunnen für Synapsen nicht verschwiegen werden.

Forscher der Universität Rochester in New York haben jetzt festgestellt, dass Ego-Shooter richtig gut für die Menschen sind. Viel besser als zum Beispiel stumpfsinniges Tetris. Ballerspiele können sogar den Straßenverkehr sicherer machen.

Das Forscherteam um die Hirnforscherin Professor Daphne Bavelier hat mit Ego-Shootern unbefleckte Studenten zum wochenlangen Rumballern mit Unreal verdonnert. Die Folge: Bessere Sehschärfe, bessere räumliche Einschätzung und natürlich eine bessere Reaktionsgeschwindigkeit. Die besserte sich als einziges auch bei der Kontrollgruppe aus Studenten, die vor Tetris rumlungern mussten. Ansonsten verbesserte sich da nichts.

Kein einziger Student aus beiden Gruppen zog übrigens im Anschluss mit echten Waffen oder echten Würfeln (Tetris) durch den Campus…

Bücher sind böse

Lesen macht kurzsichtig. Nicht mental, sondern optisch. Das ist bekannt, da hilft es auch nicht, die Nachttischlampe noch so hell zu drehen. Fernsehen und Computerarbeit gehen auch auf die Augen. Da nehmen sich die unterschiedlichen Darbietungsformen fremder Gedanken und Ideen nichts. Trotzdem ist es ein weit verbreiteter Glaube, Bücher lesen sei gut, fernsehen und vor dem Computer sitzen hingegen böse.

Warum eigentlich?

Bücher und Fernsehen haben beide eine betäubende Wirkung, beide lassen das Hier und Jetzt vergessen, um in eine fiktive, durch andere aufbereitete Welt und Sichtweise der Dinge einzutauchen. Bücher benötigen dabei etwas mehr kreative Phantasie, da ja Wörter in gedankliche Bilder oder in Stimmungen umgewandelt werden müssen. Trotzdem entzieht man sich, insbesondere mit belletristischer Literatur, zeitweilig komplett der Realität.

Das bewirkt auch das Fernsehen. Wer zu Tatort-Zeiten durch die Straßen wandert, sieht am synchronen Flimmern in den Fenstern, wie viele Menschen ihr Dasein und ihren Alltag temporär ausblenden, um sich in eine fiktive Geschichte zu begeben. Am interaktivsten ist da immer noch der Computer, da er nicht monologisch auf die Nutzer einwirkt, sondern ihnen eigene Gedanken und Taten abverlangt. Das kommt natürlich auf die Anwendungen an.

Warum nehmen Menschen Drogen?

Vielleicht wollen sie ihr Dasein und ihren Alltag ausblenden, wollen ihre Gefühlswelt durch eine andere ersetzen. Wollen albern sein, statt immer wieder an ihre Probleme denken zu müssen. Welche Gründe könnte es sonst geben, ein paar gepflegte Weine zu verköstigen oder einfach einen durchzuziehen?

Wer Glück und Freude im Normalzustand erlebt, der empfindet es doch als störend, wenn diese schönen Empfindungen durch den Einfluss von Drogen aufgeweicht werden oder verschwinden. Womöglich hat er am nächsten Tag gar einen Kater.
Gehen wir mal davon aus, dass Bücher, Fernseher, Computer und Drogen alle aus dem selben Bedürfnis angewendet werden – zeitweilig in eine andere Erlebnis- und Gefühlswelt zu entschwinden. Psychisch abhängig können alle diese Anwendungen machen. Und jede hat dabei ihre zusätzliche Kehrseite: Die Drogen haben (mit Ausnahme der Alkoholika) die gesellschaftliche Ächtung, in manchen Fällen die körperliche Sucht und den körperlichen Raubbau. Fernsehen, Bücher und Computer führen zu Bewegungsmangel und all den begleitenden physischen Erscheinungen, außerdem zur Verschlechterung des Sehvermögens, also auch zu körperlichem Raubbau.

Kann jemand überzeugend erklären, warum Bücher nicht böse sind, wenn die anderen Medienformen doch so oft als nachteilig für die Menschen angesehen werden?

Ganz früher gab es kein Fernsehen. Zu dieser Zeit waren manche Bücher und Schriften sehr geächtet. Dann kam das Fernsehen – und es war sehr schnell der Kasten des Bösen mit schlechtem Einfluss auf die Menschen. Dann kamen die Computer und das Internet, und es gab inzwischen fast eine Vollversorgung mit Fernsehgeräten. Plötzlich waren die Computer das Böse, Fernsehen wurde zwar auch hie und da kritisch gesehen, aber nie als Medium an sich in Frage gestellt. Schließlich haben auch die alten Menschen inzwischen den Fernseher akzeptiert in ihrem Lebensablauf. Fernsehen ist ein gemeinsamer Erlebnishorizont, Bücher sind das allemal. Computer und Internet hingegen werden von vielen Menschen weder verstanden noch selbstverständlich genutzt.

Also müssen sie offenbar die Wurzel des Übels sein, wenn etwas Übles auftaucht. Bei einer Diskussion in Frank Plasbergs „Hart aber fair“ ging es um Ballerspiele, nachdem wieder ein durchgeknallter Junge in seiner Schule rumgeballert hatte. Am Ende der Diskussion, die ja eigentlich nicht mit Deppen bestückt war, wurde ernsthaft die Frage gestellt, ob die Teilnehmer nicht für einen internetfreien Tag pro Woche seien. Keiner hatte irgendwas kapiert offenbar. Genauso hätte man fragen können, ob jeder für einen telefonfreien Tag pro Woche ist. Das hat mit Ballerspielen genau so viel zu tun.

Aber dafür waren sie sich sicher: Wenn die Kinder mehr lesen würden, käme es nicht zu solchen Auswüchsen. Die sollten sich mal umdrehen – was war denn damals los, als Goethe „Die Leiden des jungen Werther“ rausgedrückt hatte?

Da war eindeutig klar: Bücher sind böse!

Parallelgesellschaft 2.0: Die Kinder

Deutschland versteht seine Kinder nicht – und macht auch keine Anstalten, das zu wollen. Überall Parallelgesellschaften. Jetzt sind sogar unsere Kinder und Jugendlichen eine.

Beispiel „Killer-Spiele“: Die sind offenbar böse, weil sie in einer Maschine stattfinden, die Kinder und Jugendliche in der Regel besser verstehen als ihre Eltern. Laut Uschi von der Leine sollen jetzt nicht nur Spiele verboten werden, in denen virtuell Menschen getötet oder verletzt werden, es sollen auch andere Spiele verboten werden, in denen Gewalt überhaupt sichtbar ist.

Gewaltdarstellungen sollen die Jüngsten also künftig nur noch in passiven Medien erleben dürfen. In blutrünstigen Ausgaben von Tatort, in denen Angst, Vergewaltigung und Rohheit nicht selten sind, in Aktenzeichen XY, damit den Kindern auch der Schauer der Authentizität über den Rücken kriecht, in der nachmittäglichen Heute-Sendung, in der Menschen Sekunden vor ihrer Hinrichtung gezeigt werden, aber natürlich die unmittelbar Hinrichtung nicht. In der Tagesschau, in der Bombardements und Heckenschützen natürlich viel realistischer sind als in der neuesten Counter-Strike-Version.

Killer-Szene alt

Wer von den jetzt erwachsenen Klugscheißern hat nicht in seiner Kindheit im Sandkasten mit Plastikfiguren Cowboy und Indianer gespielt, wer hat nicht in den Karl-May-Filmen voller Faszination die Gemetzel zwischen vermeintlich Guten und Bösen gesehen? Wer hat nicht geflennt, als der manchmal schießwütige Winnetou in der dritten Folge unter Anteilnahme von eingängigen Geigen in den Armen seines „Bruders“ krepierte?

Killer-Szene  neu

Will man jetzt ernsthaft versuchen, diesen Teil der Welt auszublenden, zu verbieten? Gewalt ist doch ein maßgeblicher Teil unserer westlichen Kulturgeschichte. Und jetzt sollen wir so tun, als ob es die gar nicht gäbe.

In Frank Plasbergs „Hart aber fair“ ging es vor einigen Wochen um Killerspiele. Eingeladen war auch die nordrhein-westfälische Schulministerin Barbara Sommer (CDU). Sie offenbarte in der Sendung nebenbei, ohne selbst zu merken, welchen Offenbarungseid sie da leistete, dass sie sich für die Sendung sachkundig gemacht hatte, was eigentlich Counter-Strike sei. Die Schulministerin des größten deutschen Bundeslandes wusste also nicht, was Counter-Strike ist. Redet aber andauernd über Verbote.

Es ist eine Binsenweisheit, dass durch Verbote das Ausmaß gesellschaftlicher Probleme eher verdeckt und verschleiert wird, da die Aktivitäten in der Heimlichkeit stattfinden, dadurch aber auch viel spannender sind. Schließlich haben die Kinder so ein Geheimnis, etwas, das Mutti, Vati und die Lehrer nicht wissen dürfen. Wer nicht glaubt, dass das besonders reizvoll ist, der war offenbar selbst nie jung.

Was also tun?

Da es augenscheinlich nicht möglich ist, die Gewalt auf unserer Erde und in unserer Gesellschaft abzustellen, kann doch nur eine offene Auseinandersetzung damit helfen, Ausuferungen in den Köpfen einiger weiniger Jugendliche zu erkennen und ggf. zu beeinflussen.
Dazu müssen die Erwachsenen aber Counter-Strike kennen, Computer kennen, mit ihren pubertären Kindern zusammen die Gewaltspiele spielen, die ihre Kleinen zusammen mit Freunden spielen, virtuell töten, so wie die Guten das vor unseren Augen bei Karl May taten.

Töten Sie – jetzt!