Wie die Finanzkrise einen Tapetentisch vor der Sparkasse trifft

„Finanzkrise – Wir haben das Patentrezept“ Mit solchen und ähnlichen handgemalten Plakaten stehen vier junge Frauen vor meiner Sparkassen-Filiale. Auf einem Tapetentisch liegen Bücher, Broschüren, Zeitungen. Da ist vom „neuen Bretton-Woods“ die Rede, immer wieder fällt der Name LaRouche.

Eine junge Frau redet ohne Punkt und Komma auf mich ein. Ich unterbreche. Sage, dass ich sehr neugierig bin, was politisch engagierte Menschen jenseits vom Mainstream heute für Ideen und Meinungen verbreiten. Ich sage, ich würde gerne verstehen, was hinter einem solchen neuen Bretton-Woods oder der BüSo, also der Bürgerrechtsbewegung Solidarität stehe, würde gerne nachvollziehen, wie solche Ideen ihrer Meinung nach politisch durchgesetzt werden könnten, ohne eine dirigistisches oder gar totalitäres System zu installieren.

Die junge Frau wirft mir einen Schwall von finanzpolitischen Fachbegriffen entgegen. Sie sagt, ich müsse ihre Zeitung abonnieren, oder das Buch kaufen, oder spenden, oder meine Adresse auf eine Liste setzen, damit man mich anrufen könne.

All das lehne ich ab. Ich erkläre, dass ich zunächst die Idee kennenlernen müsse, bevor ich Daten oder Geld abliefere. Schließlich stehe bestimmt an der nächsten Ecke ein Tapetentisch mit notleidenden Bankern oder Scientologen. Ich sei halt ein skeptischer Mensch, daher hätte ich schließlich auch keine Derivate. Die Frauen reden nun immer lauter zeitweise gleichzeitig auf mich ein. Eine erklärt mir, wir würden seit langer Zeit in einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale leben, es gebe so viele Arbeitslose. Ich antworte ihr, dass früher viel länger für ein Laib Brot gearbeitet werden musste als heute, dass der hiesige Wohlstand recht hoch sei und dass die Zahl der Arbeitslosen schon erheblich höher lag im Laufe unserer Geschichte. Sichtlich ärgert sie sich über Widerspruch.

Was ich denn nun zu tun gedenke, werde ich fordernd gefragt. Ich sage, ich werde im Internet die Vorstellungen und Ziele dieser BüSo nachlesen, denn nur, wenn ich etwas im Kern verstehe und befürworte, gibt’s Geld oder Daten. „Pah!“, reagiert die angefröstelte Frau hämisch. „Sie brauchen wohl so etwas wie ein Second Life!“

Abschließend sage ich bedacht und ruhig zu ihr: „Ich geb Ihnen noch einen Rat…“ Sofort unterbricht sie mich schnippisch: „Wir brauchen keine PR-Tipps“. Ich sage: „Die wollte ich Ihnen auch gar nicht geben. Nur gehen Sie vielleicht in Zukunft nicht so aggressiv auf die Menschen zu. Sonst wird es sehr schwer, irgendwen wirklich zu überzeugen.“ Die Frau würdigt mich keines Blickes mehr und zündet sich die nächste Kippe an. Ich gehe nach Hause und google die BüSo.

Nun mag da ja wirklich eine Menge dran sein, was dort verbreitet wird. Umso mehr ich rumklicke, umso skeptischer werde ich allerdings. Da gibt es einen LaRouche mit seinen wirtschaftspolitischen Überzeugungen oder Vorhersagungen, da gibt es eine Frau LaRouche, die Vorsitzende der BüSo ist und mit ihm verheiratet. Da gibt es eine LaRouche-Jugendbewegung: „Die Gesellschaft verändern durch Exzellenz in Wissenschaft und Kunst, Erziehung der Emotionen und des Geistes“, sind deren Ziele. [aartikel]B0019LL6HU:left[/aartikel] Da gibt es merkwürdige Dokumente zu einem Selbstmord eines jungen Mannes. Da gibt es eine Kurzbiographie von Frau LaRouche, nach der sie u.a. eintritt für ein Verbot von „Gewalt- und Killervideos für Jugendliche bzw. deren „Einstiegsdrogen“ wie Pokémon und Nintendo“.

Auch wenn vieles befremdlich wirkt, ist anderes durchaus streitbar. Die Forderung „Es gibt keine Alternative zur Kernenergie“ zum Beispiel. Oder der Ansatz „10 Millionen Arbeitsplätze schaffen„. Aber es gibt auch eine Paranoia-Ecke auf der Site. Unter der Rubrik „Verleumdungen“ heißt es: „Ihr Nachbar glaubt immer noch LaRouche sei ein Alt-Trotskyist, Anti-Semit, Ku Klux Klan-Funktionär, Sekten-Guru und außerdem vom Mars? Warum uns solche Lügen angeheftet werden und wer dahinter steckt erfahren Sie hier.“

Genau so kam die junge fröstelnde Tapetentisch-Frau vor der Sparkassen-Filiale rüber. Voller Aktionismus vermischt mit Wut auf diese Welt, voller Misstrauen und voller Unverständnis gegenüber jedem, der nicht sofort im Vorbeigehen Zustimmung für ihr auf den ersten Blick unverständliches Weltbild äußert. Und leider gab sie sich dazu im Kern auch aggressiv. Offenbar bringt jede Krise wirklich guten Nährboden für Radikalität.

Und die ist mit Sicherheit kein Patentrezept für unsere Welt.