Feldpost 7: Das Donnern der Front

Die Feldpostbriefe des Martin Wilhelm Schumacher
von der Ostfront an seine Frau und Tochter.

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Martin Wilhelm Schumacher (1906-1944)
Martin Wilhelm Schumacher (1906-1944)
F.P. 30252 B
Pfingsten, den 28.5.44

Liebe Anni u. Monilein!

Gestern abend, nach 13 Reisetagen, bei meinem Haufen gelandet. Heute am 1. Pfingsttage und ausserdem an meinem Namenstage fleissig geschanzt und mit 2 anderen Kameraden uns ein Zelt gebaut. Hierin werde ich eine kurze Zeit hausen müssen, denn ich muss hier einen Lehrgang mitmachen um dann an die Front abgestellt zu werden. Was ich befürchtet habe ist nun eingetroffen und in Kürze, vielleicht schon, wenn du diesen Brief erhältst, hängt das Leben täglich am seidenen Faden. Ich muss mit den Wölfen heulen und im übrigen auf meinen guten Stern vertrauen. Wenn ich an meinen Urlaub zurückenke, dann sitzt es mir immer wie ein dicker Stein auf der Brust. Hatte ich mich doch ein Jahr lang auf meinen Urlaub so gefreut und ich muss es dir nochmals sagen, daß ich sehr enttäuscht und schwer weggegangen bin. Liebe Anni, wenn du mich nicht mehr willst, dann lass es mich wissen und muss ich mich dann damit abfinden, denn ich möchte nicht als fünftes Rad am Wagen nebenherlaufen. Schwer ist es mir geworden die Tage dort auszuhalten und ich kann es dir jetzt sagen, wenn unser süsses Monilein nicht gewesen wäre, ich wäre bei Nacht und Nebel fortgelaufen so weh war es mir ums Herz. Du wirst sagen es ist ja gar nichts gewesen und ich glaube dir ja auch, aber wenn man nach langer langer Zeit nach „Hause“ kommt und findet freundschaftliche Verhältnisse vor, die auch nichts tieferes in sich haben, so wirst du zugeben müssen, daß man eigenartig berührt ist. Als Frontsoldat hat man eben kein Verständnis mehr dafür, und ist man ja hier im Dreck um seine Familie und sein Vaterland zu schützen und lebt deshalb nur in seinen Gedanken dafür. Liebe Anni, ich dir hiermit keine Vorwürfe machen, es muss nur etwas von der Brust runter, was mich 14 Tage lang bedrückt hat. Und da ich mit keinem anderen Menschen darüber sprechen kann, so muss ich mir eben auf diese Art und Weise etwas Luft verschaffen, damit trübe Gedanken weggehen und ich mit klaren Augen den kommenden Gefahren entgegen gehen kann. Mein Liebes, nun habe ich nur noch den einen Wunsch und die eine Bitte, schreibe mir bitte nur noch, daß ich meine trüben Gedanken zur Seite stellen kann und daß es noch Sinn hat für Euch zu leben. Damit habe ich nun dieses für mich so schwere Thema zum letztenmal berührt und hoffe auf günstige Post von dir. Lass es dir aber um Gottes Willen nicht einfallen deine Unterkunft zu wechseln, denn ich habe mich ja davon überzeugt, daß du dort gut aufgehoben bist und ein sehr nettes Zimmer hast. Nun zu anderen Dingen. Wie immer, so habe ich auch jetzt Euer Photo vor mir liegen und ist es mir so, als würden die lieben Stimmen aus dem Photo zu mir sprechen. #### Wann, aber wann und vielleicht nie mehr werde ich zu Euch sprechen können. Ich will den Kopf hoch halten und nur der eine Gedanke beseelt mich Euch wiederzusehen. Was macht Monika? Hat sie den Pappi vermisst oder sind die anderen Onkels ihr lieber? Schreibe mir bitte oft und erzähle mir alles. Sind 3 Päckchen angekommen? Hat sich das süsse Mäulchen gefreut? Der Abend senkt sich und ganz in der Nähe ist das Donnern der Front.
Ich gebe Euch in Gedanken viele Küsse und hoffe, daß auch ihr noch an mich denkt. Lebt wohl und nochmals viele Grüsse und Küsse on Eurem Pappi.
An Monika: ooooooooooooo

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